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Hingesetzt und den Kopf aufgesperrt – jetzt gibt’s was auf die Glupscher!

Vor ein paar Jahren ging das Thema “ Geplante Obsoleszenz ” so richtig steil, erinnerst du dich? Mitte der 2010er-Jahre sah sich Apple erheblicher Kritik ausgesetzt, weil neue Updates alte iPhones angeblich bewusst langsamer machten. Epson hat seine Drucker so manipuliert, dass die Tintenpatronen nach einem bestimmten Zeitraum nicht mehr funktionierten, auch wenn sie noch nicht “leer” waren. Und so weiter und so fort. Dann haben wir uns von Bitcoin, AI und Katzenmemes ablenken lassen. In der Zwischenzeit hat sich auf der Gesetzesebene allerdings einiges getan. Die EU hat die sogenannte “Ökodesign-Verordnung” verabschiedet!

Meme
Wir wollen doch nur das Beste für unsere Kunden!

Wozu also ein neuer Rant, ist doch alles in Butter? Naja, nicht ganz! Ich hab hier einen ziemlich performanten Windows-PC zu stehen. Da drin werkelt eine RTX 3070, 32 GB RAM und über 6 TByte SSD-Speicher. Zusammen mit dem Ryzen 7 ein immer noch ansehnliches Arbeitstier, das ich manchmal für aufwendige KI-Projekte nutze, auf dem aber auch moderne Spiele noch sehr gut laufen. Als ob ich Zeit dafür hätte.

Für den Herbst dieses Jahres hatte Microsoft angekündigt, den Support für Windows 10 einzustellen. Es wird keine Sicherheitsupdates mehr geben.

Lässig

Nun, normalerweise wäre das kein Problem. Ich hätte einfach das nächste Update mitgenommen. Aber ganz so leicht ist das diesmal leider nicht, denn mein Rechner wird von Windows 11 nicht mehr unterstützt. Doch nicht, weil er zu langsam ist. Die Hardware-Anforderungen sind ziemlich lässig:

  • CPU mit mindestens 1 GHz
  • mindestens 4 GB RAM
  • mindestens 64 GB Platz auf der Festplatte.

Es sind die strengen Sicherheitsanforderungen, wie:

  • TPM 2.0 (Trusted Platform Module)
  • Secure Boot, zur Verhinderung von Bootkits und unsigniertem Kernel-Code
  • Support für Virtualization-based Security (VBS) oder Hypervisor-protected Code Integrity (HVCI).

Mir nichts, dir nichts schickt Microsoft diese Kiste, wie auch Millionen anderer PCs, in den unverdienten Ruhestand. Die Ironie verbirgt sich im Detail:

Schon Ende 2021 wurde festgestellt, dass VBS und HVCI die Leistung des Systems drastisch reduzieren ( angeblich bis zu 30% ) ( mehr , noch mehr ). Der Mehrwert von HVCI wird genauso angezweifelt.

Ja, okay, gibt da draußen ja immer Nörgler, die an jeder neuen Iteration von Windows etwas auszusetzen haben.

Wait a second.

“Microsoft finally admits almost all major Windows 11 core features are broken”

Sekundär-Quelle , Primär-Quelle

You dont say
You dont say

Achso. Okay. Nichts, was ein Update nicht lösen könnte, oder? Und im Februar kommt GTA 6 raus, dann ist das auch wieder verziehen und vergessen.

GT6 - Release verschoben
GTA 6 Release - Verschoben (Quelle www.rockstargames.com/newswire/article/ak3ak31a49a221/grand-theft-auto-vi-is-now-set-to-launch-november-19-2026)

Oh. Well, anyway.

Diese fehlende “Rückwärtskompatibilität” ist keine Ausnahmeerscheinung. Auf meinem Schreibtisch steht so eine kleine Holzkiste mit “Elektronik-Resten”. Darin fängt seit fünf Jahren ein altes Sony Xperia Tablet Z5 Staub. Zustand: 1A (bis auf den Akku, normal).

Das “handelsübliche” Android Betriebssystem ist auf dem Teil nicht mehr lauffähig. Mit viel Aufwand gelang es mir, ein alternatives Betriebssystem zu installieren, um es halbwegs nutzbar zu machen. Aufwand heißt: Sony macht es einem nicht gerade leicht.

Neben dem Tablet liegt ein altes Xperia XZ5 Compact mit einem erstaunlich stabilen Akku. Das Gerät ist unfassbar langsam, weil jedes Update neue Features implementiert, die ältere Hardware überfordern.

Und von meinem C64 fang ich erst gar nicht an – was soll das, Commodore?!11!?

Commodore C64
Ich habe meinen flickr-Account wieder entdeckt: https://www.flickr.com/photos/nickyreinert/

Fremdwort “Rückwärtskompatibilität”

Ich erwarte nicht, dass meine elektronischen Geräte 20 Jahre lang aktiv unterstützt werden, aber etwas mehr Rücksicht auf alte Geräte könnte den ewigen Zyklus unterbrechen, der uns alle zwei bis fünf Jahre zum Neukauf zwingt.

Warum liegt der Fokus bei Software-Updates auf neuen Features und vielleicht auch Stabilität – aber selten “Performance”? Du hast es sicher auch schon erlebt: Nach dem letzten Update glänzt das Gerät mit einem halbtransparenten Glas-Effekt oder beeindruckenden Übergängen beim App-Wechsel.

Und es ruckelt.

Boardroom Meeting
Was darf es beim nächsten Update sein?

Warum darf ich als Nutzer nicht entscheiden, welche UI- oder Sicherheitsfeatures ich überhaupt brauche? Es mag anachronistisch und innovationsablehnend klingen, aber ich würde heute noch mit dem UI von Windows 2000 klarkommen, weil ich es für extrem produktivitätsfördernd halte. Ich brauche keine halbdurchlässigen Fenster oder Animationen beim Programmwechsel.

Windows 2000
Windows 2000 (Quelle wikipedia.org)

Das Problem ist, dass Hersteller alle NutzerInnen über einen Kamm scheren. Es wird nicht zwischen Power-Usern und Tante Emma unterschieden (an alle Nerds, die Tanten sind und Emma heißen: No offense!). Tatsächlich scheint für Microsoft und Co. jede NutzerIn ein DAU zu sein. Pauschale Vormundschaft.

Während die EU uns davor schützt, aus Versehen vegetarische Wurst-Imitate zu kaufen, passiert auf diesem Gebiet erstaunlich wenig, um die Konsumenten zu schützen.

Halt, Stopp! So ganz stimmt das nicht!

Tatsächlich schreibt die EU vor, dass Smartphones mindestens fünf Jahre lang mit Updates versorgt werden müssen – Google und Samsung glänzen sogar mit sieben Jahren. Aber in dieser Vorschrift heißt es nicht, dass ein fünf Jahre altes Gerät mit dem neuesten Update auch sinnvoll genutzt werden kann. Tja.

Und oft sind die Geräte auch so konzipiert, dass ich alternative Betriebssysteme gar nicht oder nur mit hohem Aufwand und technischem Know-how installieren kann. Schon mal versucht, auf dem Handy eine andere Firmware zu installieren? Kosten: Zeit, Kaffe, Nerven. Repeat.

Egal. Also… mindestens fünf Jahre, ja?

Nein! Denn jetzt gibt es noch diese EU-Richtlinie: 2014/53/EU . Und was steht da drin? Dass das Smartphone davor geschützt werden muss, unautorisierte Software zu installieren. Auch der Gesetzgeber traut den KonsumentInnen nichts zu.

Selbst wenn ich also kraft meiner Kenntnisse dazu in der Lage wäre, ein “top-fittes” fünf Jahre altes Smartphone mit einer alternativen Software am Leben zu erhalten, macht mir diese Vorschrift einen richtig dicken, roten, hämisch lachenden Strich durch die Rechnung. Was ist denn, wenn das alte Gerät nur noch offline genutzt werden soll, als digitaler Bilderrahmen oder zur Haussteuerung? Wozu muss es dann “sicher” sein?

Und das ist auf so vielen Ebenen absurd. Die Leistung der Hardware nimmt zwar stetig zu und fünf Jahre sind in der IT-Welt eine Ewigkeit. Das heißt aber lange nicht, dass fünf Jahre alte Hardware nutzlos ist. Sie wird durch “Feature-Overloaded"-Updates nur oberflächlich zur Nutzlosigkeit degradiert. Excel, Word und Internetbrowser sollten – in der Theorie – auf einem Computer laufen, der 20 Jahre alt ist.

Ich bin nicht jemand, der sich gegen neue Technologien stellt, ganz und gar nicht – ich freue mich über jede Spielerei und jedes neue Feature. Ich bin aber der Meinung, dass der Konsument selbst entscheiden können muss, ob er das neue Feature nutzen will oder nicht. Und das ist im Moment nicht der Fall. Die neue EU-Richtlinie zwingt den Herstellern das Apple-Prinzip auf, da Geräte nun zu geschlossenen Ökosystemen werden.

Erst backen, dann hacken.
Erst backen, dann hacken.

Schützt es die Leute davor, sich irgendwelche Viren einzufangen, Kreditkartenmissbrauch oder Betrug im Onlinehandel?

Natürlich nicht! In der IT-Welt gibt es den Begriff brain.exe. Schon mal gehört? Die beste Anti-Virensoftware ist nutzlos, wenn die NutzerIn durch Dark Pattern, Social Engineering oder andere manipulative Maßnahmen dazu verleitet wird, bösartige Software zu installieren oder sensible Daten weiterzugeben. Das ist kein Problem, das man technologisch behebt, sondern durch Aufklärung.

Think, before you click.

brain.exe
brain.exe

Zusammenfassung

Dieser Artikel befasst sich kritisch mit der **geplanten Obsoleszenz**, die durch **Software-Zwänge** wie das Ende des Supports für **Windows 10** und restriktive **Hardware-Anforderungen** für **Windows 11** erneut aktuell wird. Der Autor beleuchtet die Problematik der fehlenden **Rückwärtskompatibilität** bei PCs und älteren Mobilgeräten (Smartphones, Tablets) und kritisiert EU-Richtlinien, die alternative Betriebssysteme erschweren und somit den **Neukauf** fördern, anstatt die **Wahlfreiheit** der Konsumenten zu stärken.


Hauptthemen: Geplante Obsoleszenz Microsoft Windows 10 Windows 11 EU-Richtlinien Rückwärtskompatibilität

Schwierigkeitsgrad: Mittel

Lesezeit: ca. 5 Minuten