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Streaming war mal cool. Erinnerst du dich noch an den Hype vor über 10 Jahren, als Spotify auf den Plan trat? EMule war zwar immer noch günstiger, aber das Angebot von Spotify war verlockend. Oder zwei Jahre später, als Netflix in Deutschland an den Start ging? Sicher nicht billiger als BitTorrent – aber dafür gab es anstatt Viren und “Raubkopiererknastangst” eine stabile Filmdatenbank. Die Anfangszeit des Streamings kam mit einem großen unausgesprochenen Versprechen um die Ecke: Warum eine Woche warten, um im linearen TV auf die neueste Folge von Tatort zu warten? Legal und flexibel. Unabhängigkeit und Werbefreiheit für einen geringen monatlichen Obolus. Das war die Zukunft, das war Internet!

Es war einmal und nicht mehr wird sein?

Aber wie sieht die Realität heute aus? Fangen wir bei Spotify an. Spotify kostete ein Jahrzehnt lang knapp 10 Euro. Das war irgendwie sympathisch. Dann stieg der Preis zunächst auf 10,99 Euro, später in 2023 auf 12,99 Euro. Das sind immerhin 30 %.

Ein Grund könnte gewesen sein, dass Spotify Hörbücher in das Programm aufgenommen hat. Kann man mögen, muss man aber nicht. Ich brauche diese Funktion nicht. Zumal die Anzahl der hörbaren Stunden pro Monat auf 12 Stunden begrenzt ist. Stört mich nicht, aber trotzdem: Das sind jeden Tag nicht mal 30 Minuten betreutes Lesen. Was soll das? Stattdessen höre ich regelmäßig und viel Podcasts. Und hier kommt der Hit: Bei meinem aktuellen Lieblingspodcast Raum & Zeit werden Werbespots ausgespielt und manchmal bewerben Vollert und Bensinger auch während des Podcasts noch ihren Sponsor. Es sei ihnen gegönnt, Schäfchen müssen trocken sein. Aber doch irgendwie absurd, oder? Werbung für ein bezahltes Abo?

Das ist aber kein Einzelfall. Amazon Prime! Das Preis-Leistungs-Verhältnis war einmal herausragend. Penetrationsstrategie nennt man das in der Produktpolitik: Mit einem guten Preis möglichst viele KundInnen binden. Aber auch bei Amazon knabbert man immer weiter an den ehemals überzeugenden Vorteilen des Prime-Abos. Bestimmte Sendungen werden mit Werbung ausgespielt. Erfolgreiche Serien werden gerne tröpfchenweise veröffentlicht. So z. B. die zweite Staffel von “Landmann . Oder Mayor of Kingstown, 4. Staffel :

Natürlich ist die Staffel komplett fertig produziert, Amazon (bzw. hier Paramount+) macht auch gar keinen Hehl daraus, dass die Serie schon fertig ist.

Mayor of Kingstown (Quelle: Amazon Prime Video)
Mayor of Kingstown (Quelle: Amazon Prime Video)

Auf die nächste Folge dürfen wir nun brav warten, wie damals, im linearen TV. Die Motivation ist klar: Vermutlich will man vermeiden, dass die Serie in einem Rutsch geschaut und das Abo dann wieder gekündigt wird.

Nicht nur das. Es gibt auch Serien, die gar nicht vollständig verfügbar sind, wie z. B. American Rust . Amazon Prime bietet hier nur die zweite Staffel an. Was soll ich mit der zweiten Staffel anfangen? Das ist wie Kaffee trinken, ohne Wasser zu benutzen.

Die Kostenfrage

Und dann ist da ja noch die Kostenfrage. Beim Musik-Streaming reicht ein Dienst in der Regel aus. Und fürs Protokoll – wer so wahnsinnig ist, jede angepriesene Hit-Serie sehen zu wollen, muss tief in die Tasche greifen:

  • Netflix: 4,99 € (mit Werbung)
  • Amazon Prime Video: 8,99 €
  • Disney+: 5,99 € (mit Werbung)
  • Paramount+: 7,99 €
  • Apple TV+: 6,99 €
  • Joyn+: 6,99 €
  • RTL+: 4,99 €
  • WOW (Sky): 9,98 €
  • MagentaTV: 4,88 €
  • Spotify: 10,99 €
  • Und wenn du gerne zockst, rechne noch mal 8,99 € für PlayStation Plus von Sony dazu.

Das sind jeden Monat über 75 €. Hättest du vor 10 Jahren gedacht, als du dich als rechtschaffende, erwachsenwerdende BürgerIn von Emule, Kino.to und OneClickHostern verabschiedet hast, dass mal 75 Euro dafür fällig werden, dem verlockenden Graubereich des Internets zu entsagen?

Fazit

OK, wir wollen fair bleiben: Im Prinzip gibt es eine solide Gegenleistung. Soviel muss man eingestehen. Das “digitale Archiv”, wenn man sich denn alle Anbieter leisten möchte, ist schier unendlich und bequem erreichbar. Aber eben auch mit Einschränkungen.

Künstliche Verzögerung der Veröffentlichung, limitierte Zugriffe, Werbung, Lizenzprobleme und DRM. Früher hast du den Videorekorder angeworfen und den Tatort aufgenommen. Sicher war auch die Haltbarkeit der VHS-Kassette begrenzt. Aber das war deine Kopie.

Deine Kopie! Deine rechtschaffend beschaffte Privatkopie! Und mit dem Aufkommen von DVD-Brennern war sie sogar länger haltbar und konnte beliebig kopiert werden – was natürlich niemand gemacht hat.

Und heute? Wenn du etwas kaufst, ist es noch lange nicht deins. Wer erinnert sich noch daran, als Sony Filme aus deiner “digitalen Bibliothek” gelöscht hat, weil es Probleme mit den Lizenzen von Canal+ gab ?

Lizenzen! Ein abstraktes Konstrukt, das für die KonsumentIn eigentlich völlig irrelevant ist. Sorgen sie aber genau dafür, dass ein Film auf einmal nicht mehr auf der “heimischen Plattform” verfügbar ist.

Philip Trembley, Director of Subscriptions bei Ubisoft, meinte einmal, es ist gar nicht so lange her:

Spieler müssen sich daran gewöhnen, ihre Spiele nicht zu besitzen.

Richtig gelesen. So denkt man wohl bei Ubisoft über die Rechte der KonsumentInnen.

Streaming war mal cool. Aber ob bewusst oder unbewusst, die Anbieter (und sicher auch “andere Umstände”) haben es geschafft, das Erlebnis Stück für Stück, Jahr um Jahr, immer weiter durch den Fleischwolf namens “primäre Unternehmensziele” zu jagen. Wo bleibt der Befreiungsschlag? Eine Plattform, die alles bietet, ohne Lizenzgerangel, keine verschobenen Veröffentlichungen, keine Werbung, kein AI-Slop.

Streaming war mal cool
Streaming war mal cool.

Zusammenfassung

Eine kritische Betrachtung der Entwicklung von Streaming-Diensten, steigender Kosten, Werbung, Lizenzproblemen und der Qualität von Inhalten.


Hauptthemen: Streaming Spotify Amazon Prime Netflix DRM Medienkonsum YouTube Lizenzen AI-Inhalte

Schwierigkeitsgrad: beginner

Lesezeit: ca. 8 Minuten