Auf heise.de gab es mal die Rubrik “Vorsicht, Kunde!” Wer erinnert sich? Ich habe sie geliebt. Der folgende Fall hätte gut in diese Kategorie gepasst. Es geht um PayPal:
Ich will zur Vorgeschichte nicht zu viel sagen: Es geht um die Bestellung einer Smartwatch in Verbindung mit einem “Handyvertrag”. Die Abwicklung lief nicht ganz so reibungslos, also bin ich vom Kaufvertrag zurückgetreten und habe damit auch den Handy-Vertrag gekündigt. Da ich vom Kaufvertrag zurückgetreten bin und es sich um einen verbundenen Vertrag handelt, darf ich den Handyvertrag fristlos kündigen.
Soweit, so gut. Zunächst muss man lobend festhalten, dass PayPal den Kaufpreis der Uhr sofort und ohne Nachfragen erstattet hat – das ist extrem vorbildlich! Danke. Meine Begründung für den Widerspruch gegen den Handyvertrag wurde jedoch nicht akzeptiert und der Fall geschlossen. Und wenn PayPal erst einmal einen Fall abgeschlossen hat, dann bleibt der auch abgeschlossen! Und ich finde, auch wenn diese Pauschalisierung vielleicht etwas ungerecht erscheint, das steht - leider - stellvertretend für die Kommunikationskanäle vieler großer Unternehmen.
Zunächst erhält man eine E-Mail, in der nüchtern die Ablehnung bekanntgegeben wird.
“Wir haben die Transaktion(en) überprüft und müssen Ihren Antrag bzw. Ihre Anträge ablehnen.”
Früher(tm) konnte man auf E-Mails antworten. Wenn man heutzutage mit Unternehmen kommuniziert, ist der E-Mail-Kanal aber oft nur noch eine Einbahnstraße für Newsletter und Benachrichtigungen wie diese.
Nicht ganz so früher(tm) bekam man die Nachricht wenigstens noch von einer passiv-aggressiven “noreply"-Adresse. Von PayPal kommt die Ablehnung von “service@paypal.com”. Antwortet man darauf, erhält man eine Nachricht auf Englisch:
Thank you for contacting us. We’re sorry to inform you that this email address is no longer monitored and you won’t receive a response.
“No longer monitored” gefällt mir. PayPal macht sich nicht einmal die Mühe, die Antwort zu übersetzen.
Also muss man sich aufmachen und den strittigen Fall auf der Website von PayPal erneut öffnen.
(Die Begründung ist hanebüchen. Wenn ich das Abonnement bei dem Dienstleister ordnungsgemäß kündige, gibt es keine Rechtsgrundlage für weitere Abbuchungen. PayPal ist Zahlungsdienstleister, nicht Vertragspartner.)
Wenn PayPal den Fall abgeschlossen hat, dann bleibt er gefälligst auch abgeschlossen. Basta.
Macht sich die geneigte Kundin oder der geneigte Kunde auf die Suche, gelangt er oder sie früher oder später zu “Hilfe & Kontakt” und “Kontakt”. Auch hier hat sich in den letzten 20(?) Jahren eine Unsitte eingeschlichen. “Kontakt” ist nicht mehr “Kontakt”, sondern eigentlich nur noch Hilfe und seit neuestem der Verweis auf einen KI-Chatbot.
Der KI-PayPal-Assistent ist nicht ganz so schlau, wie der Name erst vermuten lässt:
Nein, der Fall ist weder offen, noch sind 10 Tage vergangen.
OK. Weil wir uns zu lange im Support-Bereich rumgetrieben haben, werden wir erst einmal automatisch ausgeloggt.
Welche Optionen haben wir noch? Telefonieren!
Ich hasse telefonieren. Wer tut das nicht? Warteschlangen, schlechter Ton, automatische Ansagen, ich fange an zu stottern, vergesse, was ich sagen wollte, ich muss mich jetzt sofort committen. Und so weiter. Warum werde ich zum Telefonieren genötigt? Ich will schreiben. Der gute alte asynchrone Weg. Das ist doch das Versprechen von E-Mail? Warum nutzen wir das nicht mehr?
Also ab zur “Konfliktlösung”! Und dort gibt es eine interessante Beobachtung:
Ein häufig gelesener Artikel ist also dieser:
“Wie kann ich Widerspruch gegen PayPals Entscheidung zu meinem Fall einlegen?”
Nein? Doch! Oh.
Dann schauen wir mal, welche Optionen wir haben:
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An den Kundenservice wenden? Da waren wir schon. Der Link führt zurück zu https://www.paypal.com/de/cshelp/contact-us – der Kundenservice ist entweder ein KI-Chatbot oder nur über Telefon erreichbar.
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Der zweite Link ist nur für Verkäufer oder Händler gedacht.
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Der dritte Link “Konfliktlösung” führt zum Dashboard – dort sollen wir unter der Registerkarte “geschlossene Fälle” weitermachen.
Nur: Es gibt dort gar keine Registerkarten. Immerhin sehe ich den entsprechenden Fall gleich ganz oben. Und wo lande ich, wenn ich dort raufklicke? Genau: bei der Fallübersicht. Dort, wo wir vorhin gestartet sind.
Und jetzt sollen wir laut Anweisung auf “Ergebnis des Widerspruchs” klicken. Und dann geht es weiter. Ganz sicher!
Natürlich gibt es diese Option nicht:
Nein, es versteckt sich auch nicht hinter den weißen Flächen. Und nein, auch hinter dem Feedback-Link gibt es keine entsprechende Option, den Widerspruch einzulegen. Die einzige Möglichkeit ist der Klick auf die Transaktion. So gelangt man zur Übersicht derselben. Dort kommt man über “Problem melden” zurück zu eben dieser Übersicht – ein Kreislauf.
Welche Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme gibt es denn noch? Ach schau, ein Beschwerdeformular! Zack-ausgefüllt und abgesendet.
(╯°_°)╯︵ ┻━┻)
Wer die Beschwerde nicht schnell genug eingibt, wird ausgeloggt und darf von vorne anfangen.
So geht Kundensupport in 2025 aus.
Nota Bene:
Ach, guck, die Rubrik gibt es noch, jetzt aber als Podcast: https://www.heise.de/thema/Vorsicht-Kunde - war sie womöglich nie weg? Bin ich es, der gegangen ist? Fragen über Fragen…
Zusammenfassung
Eine kritische Betrachtung der Kundenservice-Erfahrungen bei großen Unternehmen am Beispiel von PayPal.
Hauptthemen: Kundenservice PayPal Kundenerfahrung Kommunikation Support E-Mail KI-Chatbot Telefonservice Kundenbindung Unternehmenskommunikation
Schwierigkeitsgrad: beginner
Lesezeit: ca. 6 Minuten