Ich bin kein großer Freund von SEO und ich mache auch keinen Hehl daraus. Also, nicht falsch verstehen, liebe SEO-Manager:innen: SEO hat seine Daseinsberechtigung, da unter anderem auch wichtige Faktoren wie Lesbarkeit oder Website-Performance mit in das Ranking einbezogen werden.
SEO hat aber auch eine dunkle Seite, die sich vor allem dann zeigt, wenn mit Traffic Geld verdient werden soll. Das passiert entweder über Display-Werbung oder Affiliate-Links. Mittlerweile haben wir uns fast daran gewöhnt.
Man sucht nach einem Rezept für Kartoffelpuffer und landet auf dem Blog eines vermeintlichen Koch-Enthusiasten. Doch dort wird erst einmal der Nährwert der Kartoffel untersucht, über Pfannenbeschichtungen gesprochen, drölfzig Links zu Amazon gedroppt, und ganz am Ende erfährt man dann, dass Kartoffelpuffer aus Kartoffeln gemacht werden. Warum? Weil Google Kontext belohnt. Viel Kontext wird mit hoher Qualität gleichgesetzt und hält die Nutzer:innen länger auf der Seite.
Oder Nachrichtenportale, die ihre Seiten mit allem zumüllen, was berichtenswert ist. Das Gaming-Portal berichtet auf einmal über Pflanzentöpfe, weil es irgendwie einen Bezug zum Gaming gibt. Schließlich steht die PlayStation doch neben der Pflanze. Warum? Weil Google regelmäßige und aktuelle Inhalte belohnt. Oft werden Artikel auch einfach mit einem aktuellen Datum versehen, um Aktualität vorzutäuschen und die Click-Bait-Überschrift darf natürlich auch nicht fehlen. SEO hat das WWW fest im Griff.
Bis jetzt.
Google ist vielleicht nicht schuld daran, hat aber auch nicht sonderlich viel unternommen, um diese Praktiken zu unterbinden. Warum? Vielleicht auch, weil Google am Anzeigengeschäft gut mitverdient.
Falls es jemand noch nicht mitbekommen hat: Google liefert mit Android das Betriebssystem, mit Chrome den Browser, mit google.com die Suchmaschine, mit Google Ads die Werbeplattform, mit Gmail den Lock-In-Effekt und mit Google Analytics das Controlling-Werkzeug – und hat als klarer Marktführer das gesamte Ökosystem im Griff.
Jemand Schlaues meinte vor einigen Jahren einmal, dass das Internet zu einem SEO-Landfill verkommen ist – einer SEO-Müllhalde.
Doch langsam beginnt AI, althergebrachte Mechaniken zu revolutionieren – darunter auch die Internetsuche. Einer der ersten Anbieter (soweit ich weiß) war vor einigen Jahren schon Perplexity. Das Besondere an Perplexity: Dank LLM- und AI-Technologie kann es den “Such-Intent” sehr gut erkennen und eine nahezu perfekte Antwort geben. Das, was Google Jahre davor schon versuchte und mit reinen Algorithmen nur halb so gut gelang.
Die Nutzer:innen müssen mit Perplexity keine Webseiten mehr besuchen und sich durch Werbebanner und Affiliate-Links kämpfen.
“Kartoffelpuffer werden aus Kartoffeln gemacht.”
Achso!
Für Google ist das potenziell eine sehr große Gefahr. Und auch wenn Perplexity immer mehr Nutzer:innen anspricht, ist diese Art der Suche – so meine Vermutung – unter nicht-digital-nativen Nutzer:innen kaum bekannt. In 2024 verzeichnete Google 1,02 Billionen Visits [1]. Perplexity AI verzeichnet 2024 600 Millionen Visits [2] (jeweils hochgerechnet). Die meisten davon übrigens aus Indonesien und Indien.
Aber auch für die Website-Betreiber:innen ist das ein großes Problem. Denn – auch das ist Teil der Wahrheit – die Monetarisierung hat auch Projekte finanziert, die keine reinen Affiliate-Sammelseiten waren. Auch Journalismus will bezahlt werden.
Wie dem auch sei: Google hat die “Gefahr” natürlich erkannt und rollt nun ein ähnliches Feature aus: AI-Snippets in den Suchergebnissen. Bisher bekam man eine Art Zusammenfassung von einer Seite, nun kommt die Antwort direkt von Googles hauseigenem AI-Chatbot “Gemini”:
Vorher
Nachher
Der Verweis zur Quelle verschiebt sich nun nach rechts (bzw. auch nach unten an die erste organische Ergebnisposition).
Aus Sicht der Nutzer:innen ist das sehr zu begrüßen. Die relevante Information wird nun ohne Umschweife sofort angezeigt. Für Website-Betreiber:innen ist das ein großes Problem. Mal wieder. Warum sollte ich als Nutzer:in nun noch die Seite besuchen?
Google fungiert nun nicht mehr als Suchmaschine, sondern als Aufsatz für den Chatbot.
Wir hatten vor einigen Jahren eine ähnliche Situation, als Google damit begann, Auszüge von News-Seiten in den Ergebnissen zu zeigen. Verlage und Agenturen beschwerten sich über die Praxis, doch das Landgericht Berlin entschied 2016, dass es zunächst keinen Anspruch auf Lizenzgebühren gibt. Die Begründung: Es handle sich um eine Win-Win-Situation, da die Verlage auch von dem erhöhten Traffic profitieren [3].
2019 führte die Urheberrechtsnovelle der EU dazu, dass Verlage im Rahmen des Leistungsschutzrechts doch einen Anspruch auf Lizenzgebühren haben – allerdings nur für Inhalte, die über kurze Textauszüge hinausgehen [4]. Google zahlt zwar im Rahmen des News-Showcase-Programmes auch freiwillig Lizenzgebühren, aber profitieren davon auch kleine Website-Betreiber:innen?
Die AI-Snippets heben die ganze Problematik nun auf eine neue Ebene, und wir dürfen gespannt sein, wie sich das auf die Dynamiken – vor allem im Bereich SEO – auswirkt. SEO wird für das kommerzielle Internet weiterhin von Bedeutung sein. Auch wenn es nur KI-Bots sind, die sich auf der eigenen Seite herumtreiben, sorgt die Verlinkung der Quelle immerhin noch für eine gewisse Sichtbarkeit – und vielleicht verirrt sich doch mal die eine oder andere Leser:in auf die Seite.
Für nicht-kommerzielle Hobby-Projekte kann das eine kathartische Wirkung haben. Was, wenn die Suchergebnisse nun in zwei Kategorien aufgeteilt werden? Eine kurze professionelle Übersicht mit Verlinkung zu einer oder mehreren professionellen Quellen – und ein Bereich, in dem die Hobby-Projekte aufgelistet werden. Gleichzeitig verlieren die zahlreichen WordPress-Spam-Farmen massiv an Bedeutung. Das würde eine längst vergessene Eigenschaft der Suchmaschinen des frühen Internets wieder fördern: die Serendipität – das zufällige Auffinden interessanter Informationen!
Aber auch einem anderen Bereich des Online-Marketings stehen große Änderungen ins Haus. Die Display-Werbung kämpft seit jeher damit, dass sie an Wert verliert. Die Sichtbarkeit befindet sich im Sinkflug [5]. Bisher waren es die zunehmende Verbreitung von Werbeblockern – aber auch das ließ sich mit einigem technischen Tricks umgehen. Doch was passiert, wenn der Traffic noch weiter einbricht? Was, wenn Google sich weiter durchsetzt und immer mehr Inhalte zusammengefasst auf der Suchergebnisseite aufführt? Google wird immer mehr zu dem übermächtigen Pförtner – und das Internet zu seinem Backyard, aus dem sich Google nach Belieben bedient.